Sound Master Alan Parsons
Tontechniker, Projektleiter und Produzent
Seit über 50 Jahren sorgt Alan Parsons für legendären Spitzensound auf Tonträgern. Zuerst für die Beatles und Pink Floyd, dann für sein eigenes Projekt. Der märchenhafte Aufstieg des Alan Parsons vom Techniker in den Londoner EMI Studios zum König der Studio-Magier …
Autor: Lothar Brandt
Wo mal geschwind nachschlagen? Wenn es um die Anfänge von Alan Parsons als Studio-Meister geht? Na klar, in der schier unerschöpflichen Fakten-Fibel Beatles total von Jean-Michel Guesdon und Philippe Margotin. Schließlich erwähnen auch rudimentäre Texte zu Alan Parsons manchmal, er habe schon an der letzten Beatles-LP, dem Meisterwerk Abbey Road als Tonmann mitgewirkt. In dem gleichnamigen Studio. Nun, zu der Zeit hießen die Studios im Londoner Stadtteil St John’s Wood noch nicht nach der Abbey Road, in deren Hausnummer 3 die Plattenfirma EMI sie betrieb. Erst nach dem fulminanten Erfolg von Abbey Road beschlossen die Manager, den Komplex in Abbey Road Studios umzubenennen.
Wie alles begann
Bei der EMI, der Electric and Musical Industries Limited, hatte der am 20. Dezember 1948 in London geborene Alan Parsons nach seiner Schulzeit 1967 eine Lehre begonnen – als ganz „gewöhnlicher“ Techniker. Der englische Konzern, längst von Universal und Warner übernommen, war damals eines der weltweit führenden Schallplattenunternehmen. Von der Stromleitung bis zur Glühbirne gab es für Techniker viel zu tun, seine Auszubildenden schickte das Unternehmen traditionell durch verschiedene Abteilungen. Die Legende besagt, dass der blutjunge Alan gerade in der Abteilung für Band-Kopien landete, als dort die Master für die Über-LP Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles kopiert wurden – jene Platte der Fab Four, die das Tonstudio als zusätzliches Instrument der Popmusik definierte.
Alan sah seine Chance – trotz eher bescheidenen Fähigkeiten an Klavier, Gitarre und Flöte –, im Musikgeschäft Fuß zu fassen. Als Tontechniker. Als solcher wechselte er zur Ausbildung in die EMI Studios in der Abbey Road, als Assistent der Aufnahmeleitung. Das bedeutete zunächst mal eher typische Stift-Jobs wie Tee kochen oder Müll rausbringen. Dennoch durfte er ab und an in die eigentlichen Studios, um sich dort mit den damals üblichen analogen Mischpulten und Vierspur-Tonband-Maschinen, später Achtkanal, mit Mikrofonaufstellung und Final-Mix vertraut zu machen.
Die Beatles und Alan Parsons
Die Beatles hatten derweil ihr eigenes Plattenlabel, Apple Records, gegründet, hatten in der Londoner Savile Road ein Firmengebäude bezogen – und sich von einem gewissen Alexis Mardas, genannt „Magic Alex“, beschwatzen lassen, sich von ihm dort das größte, genialste, modernste Tonstudio überhaupt einrichten zu lassen. Das Problem: Magic Alex war ein Betrüger und Schaumschläger. Nichts klappte, als die Beatles am 20. Januar 1969 mit Aufnahmen in Nachfolge des White Album von 1968 beginnen wollen. Ihr Stammproduzent George Martin lässt von der Abbey Road zwei Mischpulte und eine Achtspur-Maschine in die Savile Road transportieren. Laut eigener Aussage war der junge Alan Parsons beim legendären Roof Top Concert“ der Beatles dabei. Denn am 30. Januar 1969 spielen die Beatles, obwohl seit Ende 1966 jedem Liveauftritt abhold, aufgezeichnet von Ton- und Bildtechnikern auf dem Dach des Apple-Gebäudes in der Savile Road eine Art Konzert. Wegen des Publikumsauflaufs und des Verkehrschaos beendet die Polizei diesen letzten gemeinsamen Auftritt der Beatles plus Keyboarder Billy Preston nach fünf Songs. Auf dem vorhandenen Bildmaterial lässt sich kein Alan Parsons ausmachen. Es folgt ein Hickhack um Geld, Macht, Sound, der die Beatles da schon fast zerrissen hätte. Das „Get Back“ oder auch schon „Let It Be“ genannte Projekt wird auf Eis gelegt.
Es geschieht aber ein Wunder. Die vier jungen Männer namens The Beatles (keiner hatte damals die 30 überschritten) aus Liverpool raufen sich ein letztes Mal zusammen – und zwischen dem 16. April (erste Aufnahmen) und dem 25. August 1969 (letzte Abmischungen) entstand der großartigste Schwanengesang der Popgeschichte. Als Produzent hatten die Längst-Nicht-mehr-Pilzköpfe ihren alten „Übervater“ George Martin wieder verpflichtet – und auch der legendäre Tontechniker Geoff Emerick, der während der teilweise chaotischen Aufnahmen zum White Album das Handtuch geschmissen hatte, kehrte am 21. Juli an die Regler zurück. Von ihm, aber von dem gleichfalls involvierten, heute längst legendären Maschinisten Phil McDonald dürfte sich Alan Parsons viel abgeschaut haben. Als „Tonassistent des technischen Teams“ unter George Martin führen ihn Guesdon und Margotin zu den meisten Tracks auf, die Credits des Originalalbums auf der Rückseite des ikonischen Zebrastreifen-Covers nennen ihn allerdings nicht.
Parsons muss sich allerdings nicht ganz dumm angestellt haben, denn als unter Hinzunahme des Produzenten Phil Spector die verschiedenen Aufnahmen des „Get Back/Let It Be“-Projekts im Frühjahr 1970 größtenteils in der Abbey Road abgemischt werden, zählt er wieder zu den Assistenten. Als die dann Let It Be genannte LP am 8. Mai 1970 erschien, waren die Beatles – offizielle Trennung per Pressemitteilung am 10. April 1970, inoffiziell im Herbst 1969 – bereits Geschichte.
BEATLES TOTAL
Jean-Michel Guesdon,
Philippe Margotin
ISBN: 978-3768838818
Verlag: Delius Klasing
672 Seiten
Erste Nummer 1 von Pink Floyd in Großbritannien
Doch eine andere britische Band schickte sich an, zu den Sternen zu greifen. Sie hatten mit den Beatles schon Studiozeit in der Abbey Road geteilt, als sie ihr Debüt The Piper At The Gates Of Dawn dort aufnahmen und die Beatles Sgt. Pepper’s. Pink Floyd waren von ihrem Beginn an Stammgäste in der Abbey Road, Phil McDonald hatte bereits an vielen ihrer LPs mitgemischt, als sich das längst von ihrem Gründungsmitglied Syd Barrett getrennte und emanzipierte Quartett sein bis dato ambitioniertestes Projekt vornahm.
Nachdem schon die Beatles, aber auch The Nice, The Moody Blues und andere das Rock-Instrumentarium mit einem Orchester verbunden hatten, wollten das die Herren Roger Waters, David Gilmour, Rick Wright und Nick Mason auch. Der Komponist Ron Geesin arrangiert die Orchesterparts für die Suite, die die komplette erste Seite der LP Atom Heart Mother füllen wird. Aufgenommen wird, mit Alan Parsons als Assistent, zwischen dem 2. März und 21. Juli an diversen Terminen. Meist im legendären Studio 2 in der Abbey Road, das die Beatles ja nun nicht mehr in Beschlag nahmen. Mit dem Mischpult TG 12345 und der Achtspur-Maschine 3M M23, die für Abbey Road neu angeschafft worden waren.
Die Platte erscheint am 10. Oktober 1970 in Großbritannien – und wird die erste Nummer 1 von Pink Floyd. Trotz des völlig schriftlosen Klappcovers mit der legendären Kuh vorne drauf. Doch im Inneren kann man bei den Credits unter „Engineers“ neben dem etablierten Peter Bown erstmals den Namen Alan Parsons lesen. Warum er bei Meddle (1971) nicht auftaucht, hatte wahrscheinlich Termingründe, schließlich war Parsons inzwischen kein Unbekannter mehr und von den Hollies oder Paul McCartney gebucht. Obscured By Clouds (1972) nahmen Pink Floyd nicht in London, sondern überwiegend in Hérouville in Frankreich auf.
Jahrhundertalbum: The Dark Side Of The Moon
Doch dann kehrten sie zurück in die Abbey Road, und Alan Parsons hatte diesmal direkt seine Finger im Spiel, als ein weiteres Jahrhundertalbum des Rock entstand. The Dark Side Of The Moon, aufgenommen zwischen Juni 1972 und Januar 1973, erschienen am 23.März 1973, ist in vieler Hinsicht ein Klassiker. Auch in soundtechnischer Sicht – noch heute gilt das Album mit dem Prismen-Cover als eines der bestklingenden des Pop überhaupt. Alan Parsons ist in den Credits der einzige Engineer, er hat jetzt Assistenten. Die Jury der „Grammys“, der wichtigsten Schallplattenpreise weltweit, verleiht ihm einen Grammy – und damit die höheren Weihen im Pop-Business.
Wechsel auf den Produzentensessel
Parsons wechselt auf den Produzentensessel, er weiß jetzt, wie er den Sound hinbekommt, welcher der noch jungen Hi-Fi-Branche gefällt, aber der auch im Radio gut ankommt und sich vor allem auch gut verkauft. Er produzierte 1974 und 1975 die ersten beiden LPs der schottischen Band Pilot, die mit „January“ einen Nummer-1-Hit feierten. Die beiden grandiosen Alben Modern Times (1975) und Year Of The Cat (1976) des schottischen Softrockers Al Stewart trimmte Parsons für die Erfolgsspur. Auch für den Sänger Steve Harley und seine Band Cockney Rebel drehte er die Knöpfe. Bei deren Album The Human Menagerie mit dem bärenstarken Evergreen „Sebastian“ war er zwar nicht direkt beteiligt, aber ein gewisser Geoff Emerick bediente die Pulte in den Air Studios eines gewissen George Martin. Und die Orchesterarrangements besorgte ein gewisser Andrew Powell. Genau jener Andrew Powell, der auch für einen weiteren Monsterhit die Streicher und Bläser organisierte – und den Alan Parsons 1976 produzierte. John Miles und sein „Music“ von der LP Rebel kommen noch heute zuverlässig in die Top Ten aller Hörerwahlen des Mainstream-Radios.
Inzwischen hatte Alan Parsons den schottischen Songschreiber, Texter, Musiker und Manager Eric Woolfson (18. März 1945 – 2. Dezember 2009) kennengelernt. Der hatte zwar 1974 den schlagkräftigen Disco-Hit „Kung Fu Fighting“ für Carl Douglas geschrieben, blieb aber sonst weitgehend unter dem Radar. Auch Parsons fühlte sich nicht nur finanziell unter Wert geschätzt.
Nach dem Booklet der Gold-CD Lucifer – Best Of Alan Parsons Project (siehe Albentipps) stellte Woolfson fest, „dass in Alan mehr Kreativität steckte, als für das Produzieren anderer Leute notwendig war“. Woolfson selber ging zu der Zeit schwanger mit der Idee, einige Storys des US-amerikanischen Schauer-Schriftstellers, Krimi-Pioniers und Short-Story-Bahnbrechers Edgar Allan Poe (1809–1849) zu vertonen.
The Alan Parsons Project: Tales Of Mystery And Imagination
Parsons und Woolfson beschlossen, das „Project“ zu starten. Das zuerst nicht so heißen sollte, aber dann doch unter dem Namen des Produzenten und Tontechnikers, wenngleich Woolfson die Songs schrieb. Aber Parsons hatte die besseren Kontakte. Als Musiker verpflichtete er zuvörderst die gewieften Studio-Profis von Pilot. Die geniale Idee, die einzelnen Geschichten mit unterschiedlichen Sängern darzubieten, konnte er mit John Miles, Terry Sylvester von den Hollies und dem seit seinem einzigen Hit „Fire“ schon etwas abgehalfterten, wenngleich immer noch stimmgewaltigen Arthur Brown umsetzen. Woolfson und Parsons holten dann noch den besagten Andrew Powell mit ins Boot – und langsam, aber sicher wuchs das Project von der Kopfgeburt zum leibhaftigen Baby namens „Tales Of Mistery And Imagination – Edgar Allan Poe“ heran.
Im Mai 1976 in den USA, im Juni in England und Europa aus der Taufe gehoben, entwickelte sich The Alan Parsons Project: Tales Of Mystery And Imagination – Edgar Allan Poe zu einem der wirkmächtigsten Debüts aller Zeiten. Es erreichte in den Charts zwar „nur“ Rang 56 (United Kingdom), 38 (USA) und 11 (Deutschland), doch hat es bis heute nichts von seiner Kraft verloren, erlebte unzählige Neuauflagen bis hin zu hochauflösenden Mehrkanal-Mixen und zählt unwiderruflich zu den größten Schöpfungen des künstlerisch angehauchten sogenannten Art Rock. Die zu Beginn von Schauspieler-Legende Orson Welles rezitierten Poe-Verse sind längst zu ihrem Recht gekommen. Schon bald nach Erscheinen rotierte es neben The Dark Side Of The Moon oder Year Of The Cat auch in zahlreichen Hi-Fi-Studios zu Vorführzwecken.
Wie viele seiner legendären
Longplayer hat Alan Parsons auch
„Ammonia Avenue“ in einer
opulenten Neu-Edition
überarbeitet und ergänzt.
Die weitere Geschichte des Alan Parsons Project
Die weitere Geschichte des Alan Parsons Project – über Jahrzehnte ein reines Studio-Projekt ohne Liveambitionen – ist anhand der Alben besser erzählt als in biografischen Details. Lesen hier die ausführlichen Albentipps. Woolfson und Parsons strickten ihre Masche erfolgreich weiter. Verschiedene Sänger, ausgefeilte Arrangements, aber zunehmender Einfluss von Pop bis hin zu seichten Schlagermelodien zeichnen den Weg spätestens ab den 1980er-Jahren.
Künstlerisch am besten gelangen Woolfson und Parsons die direkten Nachfolger der Tales. Im Ranking der Progressive-Rock-Zeitschrift eclipsed, die auch opulente Prachtbände mit dem „Gesamtwerk der größten Rock-Acts“ in Form aufwendig bebilderter, bewerteter Diskografien herausgibt, rangieren somit I Robot (1977, erreichte in Deutschland und USA die Top Ten) und Pyramid (1978, höchste Platzierung in Deutschland als Nummer 3) neben den Tales noch unter Kaufrausch. In diese Topkategorie schaffte es keiner der vielen Nachfolger-Alben, auch wenn sie zum Teil die größeren Single-Hits abwarfen. „Eye In The Sky“ und „Don’t Answer Me“ waren charttaugliche Liedchen, das Instrumental „Lucifer“ kam in Deutschland auf Platz 8 der Single-Charts und wurde zur Erkennungsmelodie des TV-Magazins Monitor.
1993 schied Woolfson endgültig aus dem gemeinsamen Projekt aus, nachdem mit Freudiana – einem um die Psychoanalyse angesiedelten Konzeptwerk, das zum Musical verkam – 1990 schon der Scheideweg erreicht war.
Solo-Karriere Alan Parsons
Parsons trieb sein Project weiter, 1993 startete er mit Try Anthing Once seine Solokarriere. Während das originale Alan Parsons Project bis auf einen Auftritt bei den Night Of The Proms 1990 nie live gespielt hat, legte Perfektionist Parsons seine Abneigung gegen Konzerte ab den 1990ern ab. 1994 erschien das erste von inzwischen einigen Livealben.
Nach 15-jähriger Studio-Pause meldete sich Parsons 2019 mit The Secret überzeugend aus der Versenkung zurück – es ist das seit Langem stärkste Album, selbst wenn es nicht seine Klassiker erreicht. Ebenfalls letztes Jahr gab es mal wieder einen Grammy – diesmal für den Remix seines Albums Eye In The Sky im Immersive Sound, also einen höchst fortgeschrittenen, buchstäblich rundum umhüllenden Surround-Klang. Und als Gaststar der Night Of The Proms 2019 stand er auch mal wieder auf der Bühne.
Doch während Alan Parsons als Songschreiber wie auch als Musiker allenfalls Mittelklasse ist, zählt der vierfache Vater (zwei Söhne aus erster, zwei Töchter aus zweiter Ehe) als Produzent wie als Tonmeister zu den besten seines Fachs. Und das noch immer. Kein Wunder, dass die dem guten Ton verpflichtete deutsche HIGH END SOCIETY Alan Parsons bereits in 2020 als Markenbotschafter verpflichten wollte für die größte Hi-Fi-Messe weltweit. Die HIGH END in München fiel 2020 dem Coronavirus zum Opfer. Der heute in Santa Barbara, Kalifornien, lebende Brite beehrte die Show dieses Jahr. Mehr als ein halbes Jahrhundert im Dienst der Sound-Exzellenz sind schließlich ihrerseits aller Ehren wert.
Entdecken Sie auch Alan Parsons TOP 3, ein Muss für jeden Sound-Gourmet und unseren erweiterten Favoritenkreis: Albentipps
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2020/21, Edition 05, erschienen (Printmagazin). Zuletzt wurde der Artikel am 03.11.2022 aktualisiert.
Herausgeber des VOLUME-Magazins: HIGH END SOCIETY e. V., Verlag: MAXX8 GmbH
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