Jung an Jahren, aber schon reichlich dekoriert: María Dueñas, geboren 2002 in Granada, der vielleicht schönsten aller Sehnsuchtsstädte des maurisch-malerischen Andalusien, kann bereits auf eine stattliche Trophäensammlung zurückblicken. Die chinesische Zhuhai International Mozart Competition gewann sie im Jahr 2017 ebenso wie den Grand Prix und den Sonderpreis für die beste Interpretation einer Solo-Sonate beim G. P. Telemann Wettbewerb in Polen, den Prinz von Hessen-Preis der Kronberg Academy als junge Geigerin mit dem größten Entwicklungspotenzial sowie die italienische International Competition „Luigi Zanuccoli“. 2018 siegte sie bei der russischen Vladimir Spivakov International Violin Competition mit anschließenden Engagements unter der Leitung von Vladimir Spivakov und gewann den ersten Preis in der Senior-Altersgruppe des Yankelevitch-Wettbewerbs; im September 2019 wurde sie von Amerikas führendem Klassikmagazin Musical America zum „Artist of the Month“ gekürt. 2020 folgte der „Ojo Crítico 2020“ des spanischen Rundfunks (RNE); 2021 der Gewinns des renommierten internationalen Wettbewerbs Getting To Carnegie Hall. Für volume erklärt die Violinvirtuosin, wie sie sich in ihr Instrument verliebte, was es alles in der Musik von Johann Sebastian Bach zu entdecken gibt und warum Schallplatten und gute Kopfhörer für sie unverzichtbar sind.
Von Christof Hammer
Frau Dueñas, Sie haben mit fünf Jahren angefangen, Violine zu spielen. Wie sind Sie an dieses Instrument gekommen?
María Dueñas: Musik spielte bei uns zu Hause immer eine ganz natürliche Rolle im Alltag. Man hörte einfach viel Musik, ob zu Hause oder zum Beispiel im Auto auf dem Weg zur Schule. In meiner Heimatstadt Granada habe ich viele Konzerte besucht und mich dabei in die Geige verliebt: in die Zärtlichkeit ihres Klanges, das breite Spektrum der Farben und ihren einzigartigen Geruch. Meine Eltern haben mich von Anfang an in der Leidenschaft für die Geige unterstützt.
Haben Sie einen Verdacht, woher Ihr immenses Talent kommt?
Ich denke, was man als Talent bezeichnet, ist eigentlich eine Zusammensetzung von verschiedenen Faktoren und nicht nur etwas Angeborenes. Eine Begabung an sich reicht nicht aus, um den Künstler zum Vorschein zu bringen, sondern es braucht sehr viel Mühe, harte Arbeit und starke Nerven, um tatsächlich Herausragendes zu erreichen. Vor allem aber muss man alles mit Liebe und mit Leidenschaft betreiben, um in einer Sache wirklich gut zu werden.
Wie haben Sie Ihren persönlichen Weg gefunden, um den Sprung vom jungen Talent hin zur professionellen Künstlerin zu schaffen?
Wie bereits erwähnt, ist Talent an sich nutzlos, man muss es mithilfe von sehr viel Arbeit und Anstrengung „polieren“. Ich habe immer auf eine professionelle Künstlerkarriere hingearbeitet, wobei mir die Entwicklung einer eigenen musikalischen Sprache besonders wichtig ist. Ich will mich von den anderen Geigerinnen und Geigern unterscheiden. Wenn jemand eine Aufnahme von mir hört, soll er oder sie sofort meinen Klang und damit mich erkennen – wie es noch heute bei Aufnahmen von Oistrach, Menuhin oder Heifetz ist. Der Ton von diesen Künstlern ist so einzigartig, dass der Geiger sofort erkennbar ist. Das ist vielleicht eine Utopie, aber ich möchte nicht darauf verzichten, auf eine solche eigene Klangsprache hinzuarbeiten.
An welchen spezifischen Klang denken Sie? Wie wird er sich im Idealfall anhören, Ihr ganz persönlicher „María-Dueñas-Ton”?
Das kann man leider nicht in Worte fassen. Hören Sie sich meine Konzerte an und vielleicht oder besser gesagt: Hoffentlich findet man in Zukunft eine Antwort darauf (lacht).
Haben Sie Präferenzen bezüglich bestimmter Komponisten und bestimmter Epochen und Genres?
Ehrlich gesagt variieren meine Präferenzen von Zeit zu Zeit. Jeder Komponist hat etwas, das ihn besonders macht. Die Musik, mit der ich mich am meisten identifiziere, stammt von Komponisten der Romantik: Mendelssohn, Franck, Tschaikowsky, Brahms. Auch russische Werke von Schostakowitsch oder Rachmaninov sprechen mich besonders an. Aber Bach steht über allem. Seine Musik ist unglaublich rein; sie scheint mir ganz anders als alles, was je komponiert wurde, und sie vermittelt mir viel Gelassenheit. Vor Kurzem habe ich in der Schule eine Arbeit über Bachs Chaconne für Solovioline geschrieben und dabei festgestellt, dass seine Musik perfekte Proportionen besitzt, die teilweise auf mathematischen Formeln, Zahlen und religiösem Glauben beruhen. Jede Note von Bach hat eine Bedeutung und Funktion.
Wie fühlen Sie sich grundsätzlich in die „Seele“ einer Komposition ein? Und wie gehen Sie selbst vor, wenn Sie ein Stück komponieren? Seine Emotionen, sein persönliches Innenleben in Noten und dann in Klang zu verwandeln, ist ja ein Prozess von philosophischen Dimensionen, ein Grenzgang zwischen Gefühl, Verstand und Intellekt ...
Um mich in die Seele einer Komposition einzufühlen, informiere ich mich zuerst über die Geschichte des Stückes: warum der Komponist in dieser Zeit gerade dieses Werk geschrieben hat, was für ein Leben er führte, in welchem emotionalen Zustand er sich in dieser Zeit befand. All das hilft mir sehr bei der Interpretation. Genau deshalb liegt mir auch das Komponieren selbst sehr am Herzen. Das ist ein unglaublich kreativer Prozess, der auf sehr kraftvolle Art Gefühle und Ideen, sogar soziale Themen zum Ausdruck bringen kann.
Wie würden Sie Ihre musikalische Herangehensweise beschreiben: Sind Sie eher der emotional-spontane oder der analytisch-kontrollierte Typ?
Beides! Auf einer Seite bin ich ein sehr analytischer Mensch: Ich konzentriere mich immer auf Details, und wenn etwas nicht funktioniert, dann experimentiere ich herum, bis ich eine Lösung für das Problem gefunden habe. Aber ich bin auch sehr spontan. Bei Konzerten oder Proben kann es vorkommen, dass ich irgendeine Stelle komplett anders als geplant interpretiere. Ohne Spontaneität gibt es in der Kunst keine Erneuerung!
Welcher Ihrer Lehrmeister hat Sie am meisten geprägt?
Ohne Zweifel mein derzeitiger Professor, Boris Kuschnir. Er hat mich auf die Suche nach einem besonderen Klang geschickt und mich gelehrt, mir selbst zuzuhören. Dank ihm entwickle ich mich nicht nur im musikalischen, sondern auch im persönlichen Bereich – er ist ein exzellenter Pädagoge und ein wunderbarer Mensch. Es ist bewundernswert und inspirierend zugleich, dass er alles mit sehr viel Liebe macht und jede Sekunde des Lebens genießt.
Mit welchen Dirigenten arbeiten Sie besonders gerne? Und mit wem würden Sie in der Zukunft noch gerne konzertieren?
Ich habe bisher das große Glück gehabt, mit von mir bewunderten Dirigenten wie Vladimir Spivakov und Marek Janowski gearbeitet zu haben. Spivakovs Sensibilität ist überwältigend, er ist immer sehr aufmerksam und „atmet“ gemeinsam mit dem Solisten. Darüber hinaus ist er aufgrund seines einzigartigen Klangs, den er als Geiger besitzt, immer ein Idol für mich gewesen; auch weil er Kunst und Musik bei Kindern sehr aktiv fördert. Marek Janowski hat mir eine Menge weise Ratschläge gegeben, seit er mich im Alter von zwölf Jahren kennengelernt hat, als ich noch in Dresden studierte. Ich bin noch sehr jung und natürlich gibt es viele Dirigenten, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde. Ich freue mich besonders auf die zahlreichen Projekte unter der Leitung von Manfred Honeck, denn mir gefallen seine Arbeitsweise und seine Genauigkeit beim Dirigieren sehr. Außerdem besitzt er eine große Persönlichkeit, die man sofort spürt. Auch Michael Sanderling, mit dem ich vor Kurzem in Luzern zusammenarbeiten durfte, war sehr inspirierend. Außerdem hatte ich im vergangenen Sommer die Ehre, Daniel Barenboim auf dem Festival de Música y Danza de Granada kennenzulernen. Er ist eine sehr charmante Person und sein Konzert im Palacio de Carlos V war etwas Magisches, an das ich mich mein ganzes Leben lang erinnern werde ... (lächelt) Ich bin eine große Träumerin!
Und gibt es ein Konzerthaus, in dem Sie besonders gerne spielen, sich dort wie zu Hause fühlen?
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich Einladungen bekomme, in Moskau zu spielen, sowohl im Haus der Musik als auch im Tschaikowsky-Saal. Das russische Publikum ist sehr großzügig und warmherzig – es spürt die Musik auf eine sehr natürliche und tiefe Art und Weise, das fühlt man auf der Bühne. Andererseits erinnere ich mich an meine Aufregung, als ich im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins debütierte, einem Saal, den ich seit meiner Kindheit durch die Fernsehübertragungen des Neujahrskonzerts kenne. Es war sehr besonders und ich hoffe, diese Erfahrung bald wiederholen zu können. Wien ist jetzt mein Zuhause.
Beim Zusammenspiel mit verschiedenen Ensembles „menschelt“ es immer wieder sehr intensiv. Wie anregend – und wie schwierig – empfinden Sie die Kommunikation mit Ihren Orchesterkollegen?
Es ist wunderbar, mit der Sprache der Musik kommunizieren zu können. Ich finde es faszinierend, dass jeder Musiker das gleiche Werk völlig unterschiedlich fühlt und interpretiert, das macht den Austausch von Ideen mit anderen Musikern herausfordernd und spannend.
Spüren Sie gelegentlich auch Neid, weil Sie schon in sehr jungen Jahren als Solistin erfolgreich sind?
Ich versuche immer, in der Nähe von Menschen zu sein, die mir gute Emotionen und positive Gefühle vermitteln. Über den Rest habe ich keine Zeit, mir Sorgen zu machen (lacht).
Wie erholen Sie sich nach anstrengenden Konzerten?
In einem sehr heißen Bad mit natürlichen Essenzen oder Salzen, wenig Beleuchtung und beruhigenden Jazzklängen oder Musik von Audrey Hepburn im Hintergrund.
Zu den Instrumenten, die Sie spielen, gehören auch Violinen von Nicolò Gagliano und Guarneri del Gesù. Wie fühlt es sich an, solche jahrhundertealten Kostbarkeiten in den Händen zu halten? Kann man darauf überhaupt entspannt musizieren, ohne dass einem vor lauter Ehrfurcht und Respekt die Hände zittern?
Es ist ein absolutes Privileg, diese zwei historischen Juwelen genießen zu dürfen. Der Nicolò Gagliano ist eine großzügige Leihgabe der Deutschen Stiftung Musikleben und ist seit 2014 an meiner Seite. Wir haben zusammen einen langen Weg zurückgelegt und die Geige hat mich in einigen der wichtigsten Momente meines musikalischen Lebens begleitet. Das Instrument von Guarneri del Gesù der Nippon Music Foundation begleitet mich bei bestimmten Projekten – es sind zwei verschiedene Instrumente, aber sehr notwendig für meine Entwicklung. Es ist eine große Verantwortung, aber das Gefühl, auf vor 300 Jahren gebauten Instrumenten spielen zu können, ist unbeschreiblich.
Wie hören Sie selbst Musik: noch in physischen Formaten via CD? Oder sind Sie schon im Streamingzeitalter angekommen? Und wissen Sie noch, wie eine Langspielplatte aussieht?
Ich kombiniere alle Varianten, aber die Wahrheit ist, dass ich sehr altmodisch für meine Generation bin (lacht). Ich bin verrückt nach Schallplatten, vor allem im Bereich der Popmusik. Die Wärme des Klanges einer Schall- platte von einem der großen Meister der Geige, wie zum Beispiel Heifetz oder Oistrach, ist ein Genuss, auf den ich nicht verzichten kann. Ich besitze einige Schallplatten, die für mich einen großen sentimentalen Wert haben, und ein besonderes Geburtstagsgeschenk von meinen Freunden war mein erster Plattenspieler. Seitdem ist meine Sammlung von Schallplatten immer mehr gewachsen!
Welche Eigenschaften muss ein Hi-Fi-Gerät haben, um Sie zu begeistern?
Eine sehr gute Klangqualität und eine nicht zu komplexe Bedienung.
Gibt es bestimmte Hi-Fi-Marken oder -Produkte, in die Sie sich ganz besonders verliebt haben?
Als Schallplattenliebhaberin mag ich neue und alte Plattenspieler gleichermaßen. Marken wie Clearaudio oder Transrotor haben wahre Wunderwerke der modernen Hi-Fi-Technik im Programm – mich faszinieren aber auch historische Grammofone mit glockenförmigem Kornett. Ich habe eine tiefe Neigung zum Klassischen in Kombination mit moderner Technologie. Ansonsten mag ich natürlich Kopfhörer, weil ich jederzeit und überall Musik höre. Besonders gut finde ich Modelle mit Geräuschunterdrückung. Ich brauche sie für das Flugzeug (lacht)!
Und auf welches Hi-Fi-Gerät wollen Sie auf keinen Fall verzichten?
Ich könnte nicht ohne Kopfhörer leben. Weil ich sehr oft mit eigenen Aufnahmen arbeite, brauche ich die bestmögliche Klangqualität, um so präzise wie möglich zu hören und kein Detail zu verpassen.
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2022, Edition 06 erschienen. Zuletzt wurde der Artikel am 30.10.2023 aktualisiert.
Herausgeber des VOLUME-Magazins: HIGH END SOCIETY e. V., Verlag: MAXX8 GmbH
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