Fine Arts
Der Pünktlichste
Wilson Audio Master Piece
Wamm! Das ist der erste Eindruck. Mit vollständigem Namen heißt dieser Super-Lautsprecher Wilson Audio WAMM Master Chronosonic, und das verrät schon etwas mehr über seine gewaltige, beeindruckende Architektur. In der griechischen Mythologie steht Chronos für die Personifizierung der Zeit. Und die Auseinandersetzung mit Zeitphänomenen war der Ausgangspunkt für die Entwicklung dieses Schallwandlers. Genauer: Es geht um die kompromisslose Pünktlichkeit, mit der die Schallwellen aller Frequenzbereiche am Ohr des Hörers eintreffen. Eine Handvoll Millisekunden können da schon viel zu viel Toleranz sein, fanden die Schöpfer der WAMM Master Chronosonic. Also: Was der Hochtöner, die beiden Chassis für die oberen Mitten, zwei weitere Chassis für den unteren Mittenbereich und die beiden Basstöner in den Hörraum werfen, soll haargenau zur selben Zeit die Ohren des Zuhörers erreichen – soweit es sich um Direktschall handelt, versteht sich. All die genannten Einzelchassis stecken in separaten Gehäusen, die ein verkleidetes Metallgerüst in einem konkaven, mehr als mannshohen Bogen anordnet. Jedes dieser Schallkabinette lässt sich über eine hochpräzise Mechanik millimetergenau in seiner Position justieren – eben um die Laufzeit der Schallwellen zum Hörer in Schritten von Millionstelsekunden zu definieren.
Rund 40 Jahre Entwicklungsarbeit stecken im WAMM-Projekt, das Firmengründer Dave Wilson und später sein Sohn Daryl vom Urmodell aus dem Jahr 1982 über viele Modellgenerationen hinweg immer weiter verfeinerten. Geht es noch besser? Mit dem jüngsten Supermodell, dem Wilson Audio Chronosonic XVX, hat Daryl Wilson jetzt den Nachweis versucht. Dass die Chronosonic-Objekte zu den teuersten Lautsprechern der Welt zählen, überrascht da kaum: Ihre Preise liegen weit oberhalb der Marke von einer Dreiviertelmillion Euro.
Zarte Versuchung
Porzellan-Lautsprecher von Rosenthal
Die Idee für die zarteste Versuchung unter den Lautsprechern stammt von Rosenthal, einer Manufaktur, deren Kernkompetenz eigentlich eher in der Herstellung von feinstem Porzellan rund um die Küche und anderer fragiler Objekte liegt. Die Chassis dieser Schallwandler stecken folglich in Gehäusen, die fast so zerbrechlich aussehen wie schneeweiße Eierschalen. Filigrane Stützen aus dünnen schwarzen Stahlrohren halten sie so vorsichtig in der Schwebe, als könnten sie beim ersten kräftigen Tönchen das Gleichgewicht verlieren. Porzellan als Lautsprecherwerkstoff?
Das geht, wenn zusätzlich noch ein Unternehmen mit mehr Elektronik- Stallgeruch Hand anlegt: Lautsprecher Teufel aus Berlin steuerte die nötige Abstimmungsexpertise bei, und auch die Aktivelektronik und die Funktechnik für die drahtlose Multiroom-Einbindung der Lautsprecher stammt von Teufel. Diese Kooperation prägte auch den Namen des Lautsprechersystems: Es heißt Teufel x Rosenthal, wird in einer limitierten Auflage von nur 500 Exemplaren gefertigt und kostet 4.000 Euro.
Drei Gehäuse gehören zu jedem Set – je eines für den rechten und den linken Lautsprecher und ein weiteres für die Elektronik. Berührungsempfindliche Felder, mit passenden Symbolen markiert, dienen zur Einstellung der Lautstärke und zum direkten Abruf von Playlisten oder Radiostationen. Alles Übrige steuert Teufels Raumfeld-App, die auch Musikquellen wie Spotify, Napster, Tidal, SoundCloud und Internetradio erschließt. Auf den Bluetooth-Transfer versteht sich die Elektronik ebenfalls. Smartphones können also ohne Umwege mitspielen, ebenso CD-Player, die über eine Cinch-Buchse andocken.
Die Gestalt der zierlichen Schallwandler erfüllt so manches Ideal des Lautsprecherbaus: Ihre runde Silhouette bietet Schallwellen kein Hindernis, an dem sie reflektiert oder gebrochen werden könnten. Damit sind die Lautsprecher prädestiniert für präzise räumliche Abbildung, zu der auch der koaxiale Aufbau der eingebauten Chassis beiträgt: In den Zentren der 12 Zentimeter großen Aluminiummembranen für die tiefen und mittleren Töne spielen 25 Millimeter große Textilkalotten für die hohen Frequenzen. Und schließlich: Mit ihren Bassreflex-Schallführungen an den unteren Enden erinnern die Gehäusekörper an den Urtyp jener Helmholtz-Resonatoren, die später zur Entwicklung des Bassreflex-Prinzips führten.
Die Natur der Ästhetik
Schiefer-Lautsprecher von FISCHER & FISCHER
Auf der Website von FISCHER & FISCHER erfährt der Besucher zuallererst Spannendes aus der Geschichte der Mineralien: „Fast eine halbe Milliarde Jahre hatte Mutter Natur Zeit, Schlamm aus grauer Vorzeit zu einem soliden Gestein zu pressen. Schlamm aus einer Epoche, als sogar von Dinosauriern noch keine Spur zu sehen war.“
Die Botschaft passt: Der High-End-Hersteller aus dem Sauerland hat seinen Firmenstandort mitten in einer Schieferregion, und folglich hat er sich mit Haut und Haaren dem schwarzen Mineral als Werkstoff für seine Lautsprechergehäuse verschrieben. Firmenchef Thomas Fischer formuliert das so: „Lautsprecher mit Gehäusen aus Naturschiefer zu bauen ist logisch. Sein geschichteter Aufbau, seine Resonanzarmut und sein extrem hoher Massegehalt verhelfen dem Material zu außergewöhnlichen akustischen Eigenschaften, die sich mit anderen Materialien im Lautsprecher- bau nicht erzielen lassen.“
Tatsächlich bleiben Schiefergehäuse stoisch regungslos, selbst wenn die Tiefton-Chassis zur Höchstform auflaufen. Folglich, so Fischer weiter, „steht die gesamte Energie des Lautsprechers zur Luftanregung zur Verfügung. Die hörbare Konsequenz: mehr Dynamik und Pegel bei der Basswiedergabe.“ Ganz abgesehen von diesen Vorzügen, die natürlich auch für höhere Frequenzen gelten, ist der schwere, archaische Werkstoff eine ästhetische Bereicherung für jeden Wohnraum. Und gerade kleinere Lautsprecher aus Schiefer lassen sich besonders kompakt gestalten, denn ihre Gehäuse kommen mit dünneren Begrenzungen aus als Lautsprecher mit herkömmlichem Holzkorpus.
Der Ballon vibriert
Radialstrahler von MBL
Der gemeine dynamische Schallwandler hat ein Vorbild aus frühen industriellen Zeiten: den Kolben einer Dampfmaschine. Aus diesem Bauelement leitet sich die Idealvorstellung von regungsloser Formtreue ab, die eine Membran wahren sollte, während sie in ihrem vorgegebenen Frequenzbereich vor- und zurückschwingt.
Die Berliner High-End-Manufaktur MBL folgt einem ganz anderen Denkmodell – der Vorstellung nämlich, dass der ideale Schallwandler den Ton rundum gleichmäßig im Raum verteilt wie eine natürliche Schallquelle. Wäre demnach eine Art „atmende Kugel“ die Lösung? Aber wie ließe sich ein solches Gebilde technisch realisieren? In zahllosen Experimenten schließlich entwickelte MBL ein Konstrukt, das als Radialstrahler Hi-Fi-Geschichte schreiben sollte.
Das Prinzip: Ein vertikal installierter Körper wie ein Rugby-Ball aus biegsamen Leichtmetall-Lamellen, an einem Ende fixiert und am anderen mit einer Schwingspule verbunden, bläht sich im Takt der elektrischen Tonfrequenzsignale auf und zieht sich wieder zusammen wie ein vibrierender Ballon, um auf diese Weise den Raum gleichmäßig akustisch anzuleuchten und so für ein möglichst natürliches Verhältnis von direkt wahrgenommenem und reflektiertem Schall zu sorgen.
Seit dem Ur-Radialstrahler hat MBL das Konzept in vielen Schritten verfeinert. So sorgen hinter die Lamellen geklebte Schichten aus dem Schaumstoff Polyurethan für jene austarierte Kombination aus Dämpfung und Masse, die der Schallmelone zu ihrer Höchstform verhelfen. Und außen, in die vertikal eingeprägten Vertiefungen jeder Lamelle, kleben die MBL-Feinwerker dicke, rötliche Kupferdrähte. Auch sie sorgen für definierten Massezuwachs, und obendrein unterstreichen sie den futuristischen Technik-Look mit einer zusätzlichen dekorativen Note. Das Radialkonzept ist längst auch mehrwegetauglich: Die kleineren Radialstrahler für mittlere und hohe Frequenzen fertigt MBL heute mit Lamellen aus ultraleichten Carbonfasern.
Mega Chassis
Kugel-Lautsprecher von Cabasse
Der französische Lautsprecherhersteller Cabasse liebt es rund. Gehäuse ohne Ecken und Kanten sind die Erkennungszeichen der Marke, und das hat gute Gründe: An den Grenzen klassischer Schallwände können Beugungen entstehen – Ablenkungen der Schallwellen also, die zum Beispiel zu Unregelmäßigkeiten im Frequenzgang führen oder auch zu unpräziser räumlicher Abbildung. Kugelförmige Gehäuse oder solche, die wie ein Osterei aussehen, vermeiden solche Phänomene.
Cabasse hat noch eine andere Vorliebe – nämlich für konzentrisch aufgebaute Lautsprecherchassis. Das heißt zum Beispiel: Der Hochtöner sitzt nicht, wie üblich, über dem Mitteltöner, sondern mitten in der größeren Membran. So haben beide Schallwandler ein gemeinsames akustisches Zentrum. Dieses Bauprinzip kann man auch auf mehr als nur zwei Wege an- wenden, allerdings belassen es die meisten Hersteller konzentrischer Systeme bei kombinierten Mittel-Hochton-Chassis.
Nicht so Cabasse: Als einziger Hersteller der Welt pflanzt die französische Manufaktur veritable vier Membranen für ebenso viele Wege ineinander, schraubt dieses Mega-Chassis in ein 70 Zentimeter breites kugelförmiges Gehäuse und nennt das ganze Konstrukt La Sphère. Aktivelektronik in separaten Gehäusen treibt alle vier Membranen an. Absolut phasenlineare Abstrahlung – nicht nur auf der akustischen Achse, sondern auch aus Mess- winkeln bis zu 60 Grad – zählt zu den besonderen Vorzügen dieses Rundlings, sagt Cabasse, und verspricht eine unvergleichlich exakte räumliche Definition des gesamten musikalischen Geschehens. Die Theorie jeden- falls gibt dem Hersteller recht. Das Gesamtkunstwerk La Sphère kostet einen sechsstelligen Betrag.
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2020/21, Edition 05 erschienen (Printmagazin). Zuletzt wurde der Artikel am 14.08.2023 aktualisiert.
Herausgeber des VOLUME-Magazins: HIGH END SOCIETY e. V., Verlag: MAXX8 GmbH
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