Spätestens, wenn das kupferummantelte und goldbeschichtete Edelkabel verlegt ist, eine Armada an Stromfiltern angeschlossen, zwei Dutzend entmagnetisierte Dämpfungselemente platziert, ein erdbebensicheres Rack, eine Plattentellerauflage aus Carbon mit feinst gegerbtem Rindsleder oder gar ein Taktgenerator zur Synchronisierung von Digitalkomponenten angeschafft wurde – spätestens dann rückt bei der bestmöglichen Annäherung an den Originalklang auch das Thema Tonträger wieder in den Fokus. Hier gilt aus gutem Grund die Langspielplatte als Referenzgröße.
Und doch kann man den Weg zurück zur Quelle der Musik – egal ob im Tonstudio aufgenommen oder live mitgeschnitten – noch einen Schritt weiter gehen. Dann landet man bei einem guten und tatsächlich alten Bekannten der Tontechnik: dem Tonbandgerät. Ausgerechnet in volldigitalen Zeiten von Netzwerktechnik und Streaming feiert dieses Urviech der analogen Klangkultur nun ein kleines, aber feines Comeback. „Rein klanglich betrachtet spiegelt die Tonbandmaschine – im Gegensatz zu anderen Trägermaterialen – eben das reine Tonereignis ohne Nebengeräusche wieder“, erklärt etwa Dieter Amann, Chef der südbadischen Hi-Fi- Schmiede in-akustik. „Bei Direktaufzeichnung auf Magnetband kommen weder Schneidestichel noch Galvanik, Pressmatrize oder Schallplattenpresse zum Einsatz.“
Doch die Renaissance des Tonbands ist für Amann nicht nur klanglich begründet, sondern spiegelt auch einen generellen Paradigmenwechsel im Umgang mit Unterhaltungselektronik. „Nach einer Phase, in der technische Geräte eher versteckt als gezeigt wurden, ist derzeit ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Ästhetische Technik hat wieder Einzug in die Wohnung gehalten und gilt mittlerweile als ein vorzeigbares Interieur. Auch ein gewisser Retro-Effekt spielt natürlich eine Rolle.“ Und tatsächlich: In einer Welt, in der die Musikwiedergabe auf dem Weg in die Unsichtbarkeit schon weit vorangekommen ist und allenfalls Touchscreens und LED-Displays noch die optische Verortbarkeit einer Schallquelle erlauben, erinnert die manuelle Unmittelbarkeit eines Plattenspielers oder einer Tonbandmaschine an den Ursprungszusammenhang von Schall, Schwingungsaufzeichnung und elektromagnetischer Wiedergabe und vermittelt so einzigartige haptische, optische und klangliche Erlebnisse.
Wie überdimensionale Schmetterlingsflügel dominieren links die Abwickelspule und rechts die Aufwickelspule die Architektur eines Bandgerätes. Das untere Drittel gehört dann einer meist eindrucksvoll bestückten Kommandozentrale mit VU-Zeigern, Kippschaltern sowie Dreh- und Schiebereglern, mit denen sich wichtige Klangparameter kontrollieren, Betriebszustände konfigurieren oder Ein- und Ausgangssignale wählen lassen.
Alles zusammen: Faszination pur – die noch wächst, wenn sich die Mechanik in Bewegung setzt. Butterzart erfolgt dann bei hochwertigen Modellen das Vorspannen des Bandes, das sanft seine Wege über zwei oder mehrere Umlenkrollen nimmt, ehe die Andruckrolle und der Capstan (die im Idealfall durch einen separaten Motor angetriebene Tonwelle) das Magnetband mit konstanter Geschwindigkeit am Tonkopf vorbeiziehen. Es folgt: der Klang, raumfüllend, extrem analog und mit jener Prise an harmonischem Klirr (idealerweise zweiter Ordnung) angereichert, der eines der finalen und womöglich ewig unergründlichen Geheimnisse der Hi- Fi-Kultur verkörpert.
Das Comeback der Tonbandtechnik umfasst Hardware wie Software. Vom italienischen Label Analogy Records über Zavalinka Records aus Russland, die kürzlich neu gegründete Berliner Firma Analogify oder Tape Project aus Kalifornien bis hin zu STS-Analog aus dem holländischen Amersfoort lockt eine ganze Reihe von Anbietern mit eigens gefertigten Bandkopien in audiophiler Qualität. Und nicht zuletzt in-akustik mit seiner Mastertapes-Reihe. Für Bernhard Rössle, Leiter der Tonträgerabteilung, wird hier die Firmenphilosophie der südbadischen High-End-Firma besonders deutlich: „Wir beschäftigen uns konstant damit, wie man den Klang so nahe wie möglich an das Original transportieren kann – dabei stößt man geradezu zwangsläufig auch auf das ‚direct to tape‘-Prinzip.“ Vier erste Veröffentlichungen umfasst die Mastertapes-Edition bisher; erhältlich wahlweise auf 19- oder 38-Zentimeter-Bändern. „Das Repertoire stammt aus unserer Reference Sound Edition (RESO-) Serie“, erklärt der Musikmanager. „Pop und Rock für ‚Erwachsene‘ eignet sich bisher am idealsten als Repertoire für einen Transfer auf Mastertape.“
Um bestmögliche Klangqualität zu generieren, setzt in-akustik auf maximale Authentizität und eine durchgehend audiophile Herstellungskette. „Der Aufwand, den so eine Veröffentlichung mit sich bringt, ist mit keinem anderen Träger zu vergleichen“, erläutert Bernhard Rössle. „Bei uns ist jedes Tape eine Einzelanfertigung. Die Überspielung erfolgt über eingemessene und sorgsam gewartete Studio-Bandmaschinen direkt vom originalen Master.“ Wie in-akustik an die für gewöhnlich wie Kronjuwelen gehüteten Originaltapes herankommt? „Das muss unser Betriebsgeheimnis bleiben“, lächelt Rössle – und verweist lieber auf die positive Resonanz am Markt. „Unsere Kunden ‚testen‘ die Qualität unserer Mastertapes meist mit dem Kauf eines ersten Exemplars. Kurze Zeit später können wir feststellen, dass derselbe Kunde weitere Mastertapes gekauft hat. Das spricht für sich.“
Geht es um die Hardware, führte bis vor Kurzem kein Weg an Gunter Kürten vorbei. Mit Thorens gehört Kürten seit 2018 eine der ambitioniertesten Analogtechnik-Dynastien der Welt, und mit der TM 1600 konnte er bis vor Kurzem auch die erfolgreichste neue Tonbandmaschine der Gegenwart anbieten – ehe die Produktion leider wieder eingestellt wurde. Wer noch eine dieser im Halbspurbetrieb arbeitenden Preziosen ergattern kann: zugreifen, es lohnt sich. Standesgemäß wird das Gerät über drei Motoren angetrieben, gleichwohl ist das Laufwerk gerade einmal 50 Millimeter hoch. Der Tonkopf und der von einem Glockenankermotor angetriebene Capstan sind räumlich weit voneinander getrennt, was einen sehr großen Störspannungsabstand des Audiosignals ermöglicht. Und durch die Auslagerung des Netzteils können die Tonköpfe ihren Dienst ohne aufwendige und teure Abschirmvorrichtungen verrichten. Doch die TM 1600 besitzt nicht nur high-fidele Gene, sondern ist auch optisch ein Genuss. Geliefert wurde dieses analoge Schmuckstück wahlweise in einem schwarzen Hochglanz-Edelholzchassis oder in edlem Nussbaumfurnier.
Alternative: der Kauf eines alten Tonband-Klassikers von renommierten Herstellern wie Studer und Revox. Bei Revox kümmert man sich sehr intensiv um die Schätze der Vergangenheit und Gegenwart, erzählt Jürgen Imandt, Marketingleiter der Revox Group. „Tonbandmaschinen haben mich schon in meiner Jugend immens fasziniert“, so der erfahrene Hi-Fi-Mann. „Als Kind durfte ich aber zunächst eher zuschauen. So habe ich mit staunenden Augen das Rotieren der Spulen beobachtet, bis ich alt genug war, um das heimische Tonband auch selbst zu bedienen“, erinnert sich Imandt – „glücklicherweise ohne Bandsalat zu produzieren oder etwas kaputt zu machen.“ Neben der beeindruckenden Klangqualität begeistert das Medium Tonbandmaschine vor allem aufgrund seiner „Visualisierung der Tonwiedergabe“ durch die Sichtbarkeit der Mechanik und der Tonbänder in ihrer Bewegung, die Haptik des Gerätes und ganz besonders auch durch „Töne“ bei der Bedienung: „Das Klacken beim Einschalten und Ausschalten und das Geräusch beim Spulen machen einfach Gänsehaut. Tonbandmaschinen sind Geräte, die ‚Wissende‘ begeistern und ‚Nichtwissende‘ dazu bewegen, neugierig zu fragen: ‚Was ist das?‘“
Heute, rund ein halbes Jahrhundert später, leitet Jürgen Imandt nicht nur das Marketing bei Revox, sondern sorgt auch mit dem Serviceteam, das die Tonbandtechnik betreut, dafür, dass die Faszination Tonbandmaschine weiterlebt. „Weltweit sind noch sehr viele alte Geräte in Betrieb und sorgen für höchsten Klanggenuss. Und wir sichern die Langlebigkeit, Reparaturleistungen und den Ersatz von Verschleißteilen und kümmern uns um Wartung und Pflege.“ Zudem versetzen wir gebrauchte Geräte durch unsere erfahrenen Techniker wieder in einen Neuzustand. Diese können dann von interessierten Kunden erworben werden. Modelle wie die Revox B77 und A77 sind echte Legenden und zählen zu den Grundpfeilern, die den Mythos unserer Marke mitbegründet haben.“ Was mancher Hi-Fi- Freund vielleicht nicht weiß: Auch ältere Maschinen lassen sich mit nur wenigen Handgriffen in ein modernes Audio-Set-up integrieren. „Eine B77 zum Beispiel kann problemlos ins neueste Revox-Multiuser-Multiroom-System eingebunden und über ein Revox-Wanddisplay oder eine Revox-App gesteuert werden. Geräte verschiedener Generationen sind also untereinander kompatibel, veralten nie, sind immer aktuell – und nachhaltig dazu.“
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2022, Edition 06 erschienen. Zuletzt wurde der Artikel am 16.01.2024 aktualisiert.
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