KLANGLEUCHTE
Wer mit Rolf Gemein spricht, merkt schnell: Der Inhaber von Symphonic Line ist alles andere als ein typischer Vertreter der Branche. Natürlich hat auch er Hi-Fi-Technik und Musik im Blut – aber eben noch viel mehr. Seit frühester Kindheit praktiziert der gebürtige Duisburger, Jahrgang 1951, nicht nur einen tief in der fernöstlichen Kultur verwurzelten Lebensstil, sondern setzt diese Philosophie auch beim Bau seiner Hi-Fi-Komponenten um.
Was Gemein damit meint, welchen Background genau er in seine Arbeit einbringt, erfährt der Zuhörer schon ein, zwei Sätze später noch exakter. Zum Thema Hörkultur ist er schon als kleiner Junge gekommen, als er den Großvater erlebte, wie dieser Gesangs- und Klavierunterricht gab. „Seither habe ich das Einschwingen von Tönen geradezu verinnerlicht“, erzählt Rolf Gemein. „Ich brauche keine Messinstrumente, um zu wissen, wie es richtig klingt.“ Und als wär’s gestern gewesen, erzählt Gemein von jenem Schlüsselerlebnis, das seinen Werdegang als High-Ender entscheidend beeinflusste. „1981 arbeitete ich bei einem Kollegen in der Schweiz sehr intensiv am Thema Kettenübertragung, und von einem Moment zum anderen hatte ich eine ‚Erleuchtung‘: Es hat geknallt in meinem Kopf, alles wurde taghell und ich erlebte eine Neuverknüpfung von Synapsen in meinem Gehirn. Seitdem höre ich quasi dreidimensional durch ein Klangbild hindurch.“
Los ging’s mit der Hi-Fi-Technik als Profession aber schon 1979, als er mit zwei Hi-Fi-Begeisterten die Firma Vernissage gründete. „In einem Düsseldorfer Eiscafé haben wir damals beschlossen: ‚Wir bauen den besten Verstärker der Welt.‘“ Ergebnis: die erste deutsche Class-A- Endstufe Vernissage Kraft 100 im Jahr 1981. Wie viele Dreierkonstellationen, so hielt auch diese nur sehr kurz, und „Geld verdient haben wir mit Vernissage eigentlich nie“, erinnert sich Gemein, „aber die Begeisterung und das klangliche Rüstzeug für alles Weitere habe ich mir dort in nächtelangen Hörsitzungen geholt.“ Schon damals und lange Jahre vor dem Gros seiner Kollegen erforschte Rolf Gemein etwa, welche Auswirkungen elektronische Bauteile wie Kondensatoren oder Widerstände auf den Klang eines Gerätes haben.
1982 folgte die nächste Etappe im Hi-Fi-Metier. Unter Federführung von Klaus Renner, dem Chefredakteur von Das Ohr, der einst legendären „Zeitschrift für high-fideles Hören“, wurde Gemein Gründungsmitglied der HIGH END – damals der Versuch, den Nischenvertretern innerhalb der Branche ein Forum zu verschaffen, heute die größte internationale Leitmesse für hochwertige Hörkultur. Anfang 1984 schließlich fiel der Startschuss für Symphonic Line – von Anfang an konzipiert als kleine Manufaktur, in der neben der Produktion von handgefertigten Einzelstücken noch genügend Zeit für Forschung, Entwicklung und allerhöchste Klangqualitätskontrolle bleibt. Von Anbeginn an und unverändert bis heute wird beispielsweise jedes Gerät einzeln im Hörraum vom Chef final fein abgestimmt. Und erst, wenn dessen feines Ohr mit dem freien Schwingen und Pulsieren der Musik hundertprozentig einverstanden ist, wird an den Kunden ausgeliefert – „und das wird auch lebenslang so bleiben“.
Zwei Innovationen stechen in der über 35-jährigen Firmengeschichte ganz besonders heraus. Zum einen konstruierte Gemein quasi als weltweit erster Hersteller Hi-Fi-Geräte als updatefähige Komponenten. Damit können auch ältere Modelle stets auf das neueste SL-Entwicklungsniveau gebracht werden: ein frühes, bis heute gültiges Statement für kundenfreundliche Produktionsweise und Nachhaltigkeit in der Hi-Fi-Branche. Und mit der sogenannten Resonanzmusterabstimmung (RMA) etablierte Gemein jenes Alleinstellungsmerkmal von Symphonic Line, das als Synonym für eine so noch nicht da gewesene Form der systemischen Abstimmung inzwischen allenthalben hohen Respekt genießt.
Was es damit auf sich hat? „Vereinfacht gesagt geht es darum, innerhalb eines Gerätes die einzelnen Baugruppen auf einer einheitlichen Ebene zu harmonisieren, sodass ein ganzheitliches Klangbild entsteht.“ Denn, noch mal wird es fernöstlich: Ganz nach Yin und Yang überträgt ein Gerät für den großen Philosophen unter den deutschen High-Endern (Rolf Gemein bezeichnet sich selbst als Taoist) nicht nur Töne respektive Frequenzen, sondern ein gesamtes Schwingungsspektrum, das nicht nur die Ohren, sondern den ganzen Körper anspricht. Von „quantenphysikalischen Formatierungsprozessen“ spricht Gemein noch, aber mehr wird dann endgültig nicht mehr verraten – Stichwort Betriebsgeheimnis.
Genau an dieser Stelle des Gesprächs aber schält sich nun das ganz persönliche Klangcredo von Rolf Gemein heraus: „Der Übergang von der Technik zur Musik – das ist mein Metier. Eigentlich baue ich keine technischen Geräte, sondern kümmere mich um eine dreidimensionale lebendige Musikwiedergabe mit Herz, die den ganzen Menschen anregt.“ Mit dem von vielen Kollegen immer noch propagierten „Sweetspot-Unfug“ hat er denn auch so gar nichts am Hut.
„Leider laufen noch viel zu viele Vorführungen so ab: Vorne steht die typische ‚Wand aus Musik‘. In gewisser Entfernung dazu sitze dann ich als Hörer, habe mit der ganzen Sache aber eigentlich nicht viel zu tun“, so seine Kritik. „Ich will aber baden in der Musik und die Anlage drum herum komplett vergessen können. Bei einer wirklich guten Performance steht die Musik im Raum und es ist fast egal, wo ich mich befinde – ich habe von überall aus einen guten Kontakt zum musikalischen Geschehen. Bei mir erleben Zuhörer, selbst wenn sie im Flur vor dem Hörraum stehen, noch immer ein ausgeprägtes, authentisches Klangbild mit großer Klarheit.“
Ungeachtet aller individuellen klangphilosophischen Ansichten bleibt Gemein allerdings in jedem seiner Arbeitsprozesse ein (O-Ton Gemein) „hörverliebter Ganzheitsfanatiker“ und technischer Perfektionist. CD-Spieler etwa hat er mit Symphonic Line lange Jahre links liegen lassen, weil sie nicht so zu produzieren waren, dass sie seinen Ansprüchen genügten. Erst als das Ergebnis sich dem Klangbild eines guten Schallplattenspielers annäherte, stellte er, lange nach den großen Massenwaren-Herstellern, auch selbst digitale Auslesegeräte her.
Die persönliche Liebe von Rolf Gemein gehört aber Analogkomponenten wie Laufwerken, dem SL-Goldspulentonabnehmer und exzellenten Phonostufen (MM und MC) – Geräten, „die mit jeder Weiterentwicklung neue Klangdetails auf guten Schallplatten zutage fördern.“ Doch egal, was bei Symphonic Line produziert wird: Stets bleibt Gemein ein „Bauteile-Fanatiker“, der keine Kompromisse zulässt und nur auserlesenste Komponenten verwendet, etwa aus Mu-Metall gekapselte Transformatoren und Sonderanfertigungen von Kondensatoren und Kabeln. „Betriebswirtschaftlich ist das völliger Blödsinn. Unser RG 14 Edition, langjähriges Arbeitsgerät vieler Hi-Fi-Redaktionen, müsste eigentlich erheblich mehr kosten ... aber Symphonic Line ist eben nicht nur eine Firma, sondern auch mein Hobby. Und ich will, dass auch Menschen ohne ganz großes Vermögen sich meine Geräte leisten können.“
Alles zusammen – jahrzehntelange Hi-Fi-Erfahrung, konsequentes Qualitätsdenken, die RMA-Abstimmung – ergibt dann jene spezielle, von der Fachpresse als „kraftvoll-dynamisch“, „seelenvoll“, „betörend“ oder „von schwebender Leichtigkeit“ gefeierte Klangsprache, die Symphonic-Line-Produkte zu Liebhaberobjekten für High-End-Fans mit einem Faible für das ganz Besondere machen. Also: einfach mal probehören – aber Vorsicht: Suchtgefahr ...
Und wie steht es um die Zukunft, Rolf Gemein? Da stehen die Zeichen in mehrfacher Hinsicht auf Kontinuität. Zum einen ist da Tochter Marion, die wie der Vater Musik und Technik liebt, schon bei Messungen hilft und erste Kundenbesuche mitmacht. Und außerdem hat der Klangphilosoph aus dem Ruhrpott noch viel vor: „Ich werde weiterentwickeln und -forschen bis an mein seliges Ende und den Neubeginn woanders erleben ...“
Bis dahin wird Rolf Gemein weiterhin liebevoll an seinen Edelkomponenten feilen („Länger als drei Tage ohne halte ich es nicht aus!“), vielleicht nebenher noch ein neues Messehighlight mitbegründen wie 2005 die inzwischen bestens etablierten Norddeutschen Hi-Fi-Tage, seinen weiten Horizont kultivieren, sein Meerwasseraquarium hegen und pflegen, seine Kunstsammlung vergrößern, sich der „musikalischen Archäologie“ widmen und historische Aufnahmen – etwa von Harry Belafonte und Fritz Wunderlich – unter die Klanglupe nehmen ... und tief im Ruhrgebiet die deutsche und fernöstliche Lebensart in Harmonie in sich vereinen.
Von Christof Hammer
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2019, Edition 03 erschienen (Printmagazin). Zuletzt wurde der Artikel am 06.06.2023 aktualisiert.
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