MUTPROBE
Von Klaus-Peter Bredschneider
Die Welt ändert sich, wusste bereits Demokrit. „Panta rhei“ – alles fließt. Was der griechische Philosoph vor weit über 2.000 Jahren nicht erahnen konnte, ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Welt im Digitalzeitalter dreht. Was gestern angesagt war, wird heute nicht mehr gewünscht. Hörgewohnheiten ändern sich wie Modetrends, Essgewohnheiten oder Einrichtungsstile. Wer erinnert sich noch an plüschige Wohnzimmer voller Gardinen und mächtige Lautsprecherboxen im Eichenholzfurnier? Und mittendrin der klassische Hi-Fi-Turm, die vielen Kabel und diverse Fernbedienungen. Wer will das heute noch?
Solche und ähnliche Überlegungen muss Götz von Laffert angestellt haben, seit Jugendtagen leidenschaftlicher Musikhörer. Ein „High Ender“, dem zugleich eine Entwicklung nicht entgangen war, die ihn zusehends beschäftigte. Ausgerechnet im hochwertigen Wohnumfeld waren immer weniger High-End-Anlagen anzutreffen. Weil sie nicht schick genug aussahen? Weil sie sich im cleanen Umfeld auch akustisch nicht mehr wohlfühlen konnten? Weil sie zu kompliziert waren? Weil sie übersehen hatten, dass sich auch die Musikwelt im drahtlosen Streamingzeitalter mächtig gedreht hat?
Wenn High End und moderner Lebensstil nicht mehr zusammenfinden wollen, so die Ausgangsüberlegung des Querdenkers von Laffert, dann braucht es neue Produktlösungen, die sich den neuen Lebens- und Hörgewohnheiten anpassen. Aus den Überlegungen wurde der konkrete Plan, die Hi-Fi-Welt mit einem geradezu revolutionären Produkt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Dazu brauchte von Laffert einen Partner – und fand ihn in Jens Wietschorke. Zusammen riefen sie vor gut zehn Jahren in Hamburg die Lyravox Gerätemanufaktur ins Leben. Wietschorke könnte man einen Klangtüftler nennen, einer, der sich seit über drei Jahrzehnten auf den Bau von Lautsprechern spezialisiert hatte. Nicht irgendwelche x-beliebigen, sondern ausschließlich Maßanfertigungen für Kunden mit durchaus extravaganten Vorstellungen, die so nicht von der Stange zu befriedigen waren. So hatte Wietschorke, wie sich von Laffert erinnert, auch Lautsprecher im Bonsai-Format im Portfolio, „mit denen man trotzdem großartig Musik hören konnte“. Auf das Chassis, also die Komponente, die letztlich die Luft in Bewegung setzt und damit den Schall auslöst, hatte der Tüftler und Maßschneider dabei stets besonderen Wert gelegt. Sein Erfolgsgeheimnis war aber die sorgfältige Auswahl sämtliche Bauteile, für die nur streng selektierte Lieferanten in Betracht kamen.
Von Laffert war überzeugt, in Wietschorke den richtigen Partner für sein revolutionäres Projekt gefunden zu haben. So entstand mit Lyravox eines der jüngsten und zugleich spannendsten Projekte der jüngeren High-End-Geschichte mit einem Produkt, wie es bislang noch nicht zu bekommen war. Das die hochgesteckten Klangerwartungen geschulter High-End-Ohren erfüllen und gleichzeitig den Ansprüchen von Interieur-Ästheten und deren „besseren Hälften“ standhalten konnte. Und das, so könnte man die Anforderungen abrundend beschreiben, möglichst wenig Platz beanspruchen sollte – schließlich ist Wohnraum gerade in den gefragten Hipster-Metropolen knapp und sündhaft teuer. Damit ist zugleich von Lafferts Ausgangsidee bestens beschrieben sowie die naheliegende Entscheidung, sich mit Wietschorke einen erprobten Spezialisten für außergewöhnliche Herausforderungen und Lösungen mit ins Boot zu holen.
Die Herausforderung war – etwas flapsig formuliert –, eine hochwertige Musikanlage zu schaffen für jemand, der eigentlich keine Anlage im Wohnzimmer mehr sehen will. „Wie schaffen wir es“, formuliert von Laffert im Nachhinein sein ehrgeiziges Unterfangen, „den ganzen Musikgenuss großer High-End-Anlagen in ein ebenso wohnzimmertaugliches wie bedienerfreundliches Konzept hinüberzuretten?“ Das war die Geburtsstunde eines innovativen und gleichzeitig ungewöhnlichen Gerätes, das seine Schöpfer schlicht auf den Namen „Stereomaster“ tauften.
Dieser erste Stereomaster ist ein bis zu zwei Meter langer, 30 Zentimeter hoher und rund 20 Zentimeter tiefer „Klangbalken“, der seinen Platz vorzugsweise in Ohrhöhe an der Wand findet und dort ohne sichtbare Kabel gleich ein ganzes Arsenal an Musikgerätschaften ersetzt – von multiplen aktiven Lautsprechern über Verstärker und CD- Player bis hin zum High-Definition-Netzwerk-Streamer.
Auch drahtlos streamt und kommuniziert der Stereomaster, so lässt sich das gute Stück ergänzend zur bidirektionalen Fernbedienung via App vom Tablet aus umfassend steuern. Der integrierte Wandler beherrscht so ziemlich alle – also auch verlustfreie – Dateiformate bis hinauf zu High-Resolution-Audio mit 192 kHz/24 Bit, ob Streamingportal oder Internetradio: Der All-in-one-Tausendsassa versteht sich auf praktisch alle modernen Quellen. Abgerundet wird das Hightech-Ausstattungspaket durch einen digitalen Signalprozessor zur Anpassung des Klangs an den Raum und/oder persönlichen Hörgeschmack. Damit übertrifft er die klassische Anlage allein in der Ausstattung bereits deutlich.
Als der postmodern mit Art-déco-Anklängen gestaltete Stereomaster fertig war, wurde er vom High-End-Fachmagazin Fidelity zwar etwas despektierlich als „hoch- willkommene Rückkehr der Musiktruhe“ angekündigt. Von seinen Klangqualitäten waren die audiophilen Tester aber mehr als angetan und konnten dem Stereomaster SM3-150 ein „fulminant ausgedehntes Stereo-Panorama“ attestieren, das auch Klangkulinariker glücklich machen sollte: „Abgrundtiefe schwarze Bässe, ein sorgsam abgestimmter Mittenbereich und Höhen, die niemals nervig werden, verschmelzen zu einem höchst homogenen Ganzen.“ Audiophiles Herz, was begehrst du mehr?! Willkommen im High End – und das erstmals aus einer einzigen Box!
Hergestellt wird der Stereomaster übrigens nicht wie so viele Hightechprodukte im chinesischen Shenzhen, sondern mitten im hanseatischen Hamburg in einer eigens eingerichteten Manufaktur in Kleinserie. Das Metallgitter ist in diversen Beschichtungen und Veredelungen lieferbar, das Gehäuse in zahllosen Echtholzfurnierungen und Lackierungen bis zum echten Klavierlack, „custom made“ eben, komponiert aus feinsten Bauteilen, maßgeschneidert nach Kundenwunsch. So kompromisslos gebaut landet der Stereomaster preislich deutlich im fünfstelligen Euro-Bereich, was wiederum erklärt, warum er bislang einer eher kleinen Zielgruppe vorenthalten war – zumindest in seiner Heimat, während in den kaufkräftigen Exportmärkten Asiens und Osteuropas das Interesse von Anbeginn an deutlich größer war.
Zudem will der Stereomaster nicht in die üblichen Schemata passen, er verlangt vielmehr nach einer völlig neue Produktkategorie. „Sprechen wir von einem On-wall-System“, schlägt von Laffert deshalb erklärend vor, oder von einem „Klangprojektor.“ „Der Begriff ‚Soundbar‘ ist bei uns jedenfalls verboten“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Noch überfordert der Stereomaster Traditionalisten, die in Lautsprecherpärchen, Stereotürmen und gerne noch einem Subwoofer hinter dem Vorhang denken. All das ersetzt die wandgebundene All-in-one-Lösung von Lyravox und lässt die Vorbehalte auch hierzulande langsam schwinden. Zumal die Platzierung direkt an der Wand klanglich Vorteile mit sich bringt, weil sich der Klangprojektor dadurch zwingend in einem akustisch definierten Umfeld aufhält, das der Konstrukteur in seine Berechnungen einbeziehen konnte. Auch lassen die Lyravox-Macher das mit dem Stereomaster gesammelte technische und akustische Know-how inzwischen in – nach eigener Aussage viel einfacher zu konstruierende – Aktivlautsprecher fließen, die Karlotta und Karlina heißen und die ebenso gut aussehen, wie sie klingen – aber als klassisches Lautsprecherpaar besser zum highfidelen Statussymbol taugen. Der Stereomaster bleibt ein wegweisendes Produkt hat und das Zeug zur Ikone. Vielleicht auch zum Kunstobjekt für Sammler. Und in der angekündigten „abgespeckten“ Form im vierstelligen Euro-Bereich wird daraus sogar ein Bestseller. Verdient hätten es seine visionären Erfinder.
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2018/2019, Edition 02 erschienen (Printmagazin). Zuletzt wurde der Artikel am 27.03.2023 aktualisiert.
Herausgeber des VOLUME-Magazins: HIGH END SOCIETY e. V., Verlag: MAXX8 GmbH
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