Stimme mit Gitarre
Von Lothar Brandt
In einer „Gesellschaftsillustrierten“ oder gar in einem „People Magazine“ könnte man die Klarstellung bis zum Ende aufheben. Hier in volume kann sie auch ganz am Anfang stehen. Nein, Constanze Freund – Künstlerinnenname: Friend – und Thomas Günther – Künstlername: Fellow – sind privat kein Paar. Beide leben ihr Leben mit ihren Familien, die eine in Weimar, der andere in Leipzig. Jedenfalls einen Teil ihres Lebens. Denn einen anderen, beachtlichen Teil ihrer bisherigen Vita haben sie tatsächlich zusammen verbracht: den als Musiker. Als das Duo Friend ́n Fellow.
Die Sängerin mit der gottbegnadeten Soulstimme und der akustische Gitarrist mit der teuflischen Fingerfertigkeit machen seit 1991 gemeinsame Sache. Die nennen sie konsequent „Acoustic Soul“. Seit sie regelmäßig auftraten und ihre erste, noch im Selbstverlag produzierte Debüt-CD Fairy Godmother bei Konzerten verkauften, wuchs ihre Fangemeinde langsam, aber stetig. Die Hi-Fi-Magazine lobten ihre folgenden Scheiben – siehe Plattentipps – regelmäßig über den grünen Klee, denn auch der gute Klang ist den Musikern wichtig. Auch bei ihren Konzerten, wo die beiden grundsätzlich noch klassische Monitor-Lautsprecher zum Selberhören und zur Selbstkontrolle statt der heute üblichen In-Ear-Monitore nutzen. Der Autor war unlängst beim Soundcheck zu einem ihrer Auftritte zugegen, in einer mehr für das Sprechtheater geeigneten Location. Für Musik schien sie weniger zu taugen, doch die Sorge um den Livesound löste sich schließlich in Wohlgefallen auf – der Sound-Mann hatte ganze Arbeit geleistet. Es wurde ein zauberhaftes Konzert.
Überhaupt muss man, um die ganze Magie von Friend ́n Fellow zu begreifen, das Duo live erlebt haben. Dringende Empfehlung: Sobald es wieder möglich ist, einen FnF-Auftritt besuchen. Dann hört und sieht man die fast telepathische Harmonie zwischen den beiden, ihr gegenseitiges Antreiben, Anstacheln, Abstützen. Der Zuschauer staunt, was Fellow da als Ein-Mann-Orchester an Rhythmen, Melodien und Harmonien aus sechs Saiten plus Korpus herausholt – dieser Mann ist ein Phänomen. Und seine launigen, humorvollen Zwischenansagen sind allein das Eintrittsgeld wert. Constanze Friend dringt mit ihrer tiefen, warmen und wandelbaren Stimme direkt in Herz und Seele. Egal, ob sie eigene oder fremde Songs intoniert, ob sie sich im Blues-, Soul-, Funk-, Pop- oder Jazz-Idiom ausdrückt – ihr Können, ihre Hingabe und ihre Bühnenpräsenz schlagen einen total in ihren Bann. Dabei gibt sie wirklich alles. Beim Treffen nach besagtem Konzertabend sah man ihr die physische und psychische Erschöpfung an – und trotzdem strahlte diese zarte und schöne Frau noch immer die Aura einer irgendwie Wundertätigen aus.
Was bestimmt nicht heißt, dass wir es hier mit einer abgehobenen Heiligen zu tun haben. Wochen später zum Interview verabredet, erweist sie sich als bodenständige Lady, die mit beiden Beinen im Leben steht. Und das war nicht immer gut zu ihr. Sympathisch offen und entlarvend kritisch erzählt die Tochter eines ghanaischen Werkstudenten und einer deutschen Mutter von ihrer Kindheit und Jugend in der DDR. Offiziell gab es im real existierenden Sozialismus natürlich keinen Rassismus. Doch die kleine Constanze, deren Vater sich bald nach ihrer Geburt in seine Heimat „zurückgezogen“ hatte, bekam die doppelte soziale Ablehnung als „N...kind“ und Halbwaise natürlich zu spüren. „Im Kindergarten und in der Schule kam das manchmal einem Spießrutenlaufen gleich“, erzählt sie. Von ihrer Ablehnung an der Schauspielschule, wo sie sich nach dem Abi beworben hatte und wo der Direktor zur schwammigen Begründung etwas von „dunklen Schatten“ stammelte, berichtet sie mit merklichem Ingrimm, trotz süffisanter Ironie.
Dabei fühlt sie sich, die in einer thüringischen Kleinstadt geboren wurde, dort aufwuchs, im thüringischen Weimar studierte, dort seit Langem lebt und mit unüberhörbarem thüringischen Akzent spricht („Habe ich nichts dagegen, wenn du den erwähnst“), als Weimarerin, als Thüringerin, als Deutsche. Da kommt dem Autor – und hoffentlich nicht nur ihm – erst recht die Galle hoch, wenn Constanze Freund vom heute noch immer und wieder mehr grassierenden Rassismus spricht, von der doofen Anmache, den blöden Sprüchen und den abschätzigen Blicken, mit denen sie „an- ständige“ Deutsche bisweilen belästigen. Bei aller Liebe zur Heimat: Wenn die Truppe um den faschistoiden AfD-Ex-„Flügelmann“ Björn Höcke das Ruder übernähme, dann „denke sie schon ans Auswandern“. „Rassismus gibt es überall, aber hier tangiert er natürlich auch meinen privaten Be- reich. Da muss man manchmal schon tief durchatmen“, resümiert die Künstlerin, die Sohn Benjamin, heute 26, und Tochter Abena, heute 19, als alleinerziehende Mutter großzog.
Wie hat sie das nur geschafft, gaben doch FnF zur Zeit von Benjamins Geburt doch schon 80 bis 100 Konzerte pro Jahr im Nachwende-Deutschland? „Das war schwierig, aber meine Mutter und mein Stiefvater, beide mit rund 50 damals arbeitslos, sprangen in den kommenden Jahren oft ein. Sie kümmerten sich, und mir war wichtig, dass die Kinder im gewohnten Umfeld blieben.“ Vater der Kinder ist der Gitarrist, Bandleader und Produzent Thomas Adapoe, in dessen siebenköpfiger, mit Bläsern antretender Band Constanze vor FnF sang.
Die Stimme ließ sie sich nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung dort an der Hochschule für Musik FRANZ LISZT in Weimar ab 1986 ausbilden. Und das stabile technische Fundament, in Theorie und Praxis hart erarbeitet, trägt die wundervolle Stimme bis heute. Ob sie sich je nach den Tagen mit elektrischer Band zurücksehne? „Nee“, lautet die sehr bestimmte Antwort.
In Weimar studierte in jenen Tagen ein gewisser Thomas Günther Gitarre, den Constanze schon 1984 kennengelernt hatte. „Ich hatte eine tolle Lehrerin und eine fantastische klassische Ausbildung“, lobt der Ausnahmemusiker noch heute die Akademie. Dort hatte der Hochbegabte schon mit 16 Aufnahme gefunden, obwohl sein Vater Druckereibesitzer und damit Kapitalist war. „Doch ich hörte natürlich viel andere Musik, brachte mir deren Spielweisen autodidaktisch bei – und hörte auf, klassische Gitarre zu spielen“, fasst der offenbar auch Humorbegabte seine akademische Laufbahn zusammen. „Ich musste konsequent verlernen.“ Doch er beruhigt den Gesprächspartner: „Ich könnte die klassische Technik auch jederzeit wieder reaktivieren“, schmunzelt er ohne jeden Anflug von Arroganz. Ob er sich je nach den Tagen mit klassischer Gitarre zurücksehne? „Nee“, lautet die auch hier sehr bestimmte Antwort.
Und zu tun hat Thomas Fellow ohnehin genug. Neben FnF meistert er zwei weitere Projekte: Seit über 20 Jahren mischt er bei Hands On Strings mit, und mit dem European Guitar Quartet spielt er mit einem weiteren „Crossover“-Gitarristen und zwei klassischen Saitenkünstlern zusammen. Kurz vor dem mit vielen Lachern aufgelockerten Gespräch war dieser gänzlich uneitle Mann übrigens gerade aus Indien von einem Festival mit dem EGQ zurückgekehrt. Dass er noch selber als Professor unterrichtet, dass er den European Guitar Award ausrichtet und dass er noch viel Gitarrenmusik komponiert und verlegt, kommt dann so nebenbei heraus.
Seine Selbstironie bewahrt ihn offenbar vor dem Abheben. „Constanze konzentriert sich ganz auf FnF, ich konzentriere mich auf gar nichts“, grinst er auf die Frage, wo er denn die Prioritäten setze. Und den fast unausweichlichen Gesprächspfad, ob er denn auch mit der elektrischen Gitarre liebäugele – schließlich coverten FnF auch schon mal Jimi Hendrix –, kürzt er lächelnd ab: „Es hat mich schon in den Fingern gejuckt. Aber spätestens, als ich die Fotos sah, sah ich ein, dass die elektrische Gitarre mich nicht kleidet. Es fühlte sich für mich an wie Dieter Bohlen mit Umhänge-Keyboard.“ Als Interviewer und Interviewter fertig sind mit Lachen, fügt er ernsthaft hinzu: „Ich habe mich nicht gegen etwas entschieden, sondern für etwas: diese wundervolle Sängerin auf der akustischen Gitarre zu begleiten.“ Dazu dienen auf der Bühne vor allem zwei Instrumente: Eine Yairi CY 62 („ein fast billiges Ding, das aber über 2.000 Konzerte bereits durchgestanden hat“) mit Nylonsaiten und eine Larrivee LSV-11 mit Stahlsaiten. Im Studio kommt dann noch das eine oder andere Edelbrett dazu.
Gegründet haben der exzeptionelle Gitarrist und die wundervolle Sängerin Friend ́n Fellow 1991. Heute mag es einige professionelle Duos in dieser Besetzung geben, damals konnte allein das US-amerikanische Jazz-Duo Tuck & Patti (gegründet 1981, bis heute aktiv) als Role Model dienen. Es war ein steiniger, nicht immer leichter Weg. Doch spätestens als man beim Label des deutschen Produzenten Thomas Ruf untergekommen war, öffnete sich der Freiraum „das zu tun, was wir wollen. Niemand redet uns rein. Thomas Ruf ließ uns alle Freiheiten“, denkt Constanze Freund dankbar an die früheren Zeiten zurück. Über den tief im Blues und Bluesrock verwurzelten Thomas Ruf gab es auch den Kontakt zum Blues-Altmeister Luther Allison (1939–1997), mit dem man zusammen auftrat. Thomas Fellow erhielt die Nachricht von seinem Tod am selben Tag, an dem er auch vom Ableben seines Vaters erfuhr. Als eine Art Requiem schrieb er einen Song für den Vater – und einen für Luther. Völlig unabhängig davon schrieb auch Constanze ein Lied für Luther – so viel zur telepathischen Beziehung.
Fellow wäre nicht Fellow, wenn er die künstlerische Zweisamkeit nicht auch ironisch verknappen würde: „Ich kann nicht singen, Constanze nicht Gitarre spielen. Wir stehen einander nicht im Wege.“ Die beiden schrieben viele Songs auch gemeinsam, anfangs fast ausschließlich Thomas die Musik, Constanze die Texte. „Ich habe nie Probleme gehabt, Themen zu finden. Ich kann mich über mangelnde Fantasie nicht beklagen“, erklärt Constanze, die ihre Texte grundsätzlich „immer sehr persönlich“ abfasst. Inzwischen auch zu eigenen Melodien, die sie „immer in Bewegung“ oft während längerer Walking-Touren aufs Handy singt. Dabei meidet sie meist den Selbstbezug und versetzt sich lieber wie auf der neuesten CD in verschiedene „Characters“. In „Child“ geht es um Kindheitserinnerungen, „Woman“ schrieb sie für ihre Tochter. Insgesamt dreht es sich um Personen, Charaktere, die sich besuchen: „Verbindung schafft Begegnung.“
Aufgenommen, gemischt und gemastert hat das erneut äußerst wohlklingende Album der Nur-Vornamenträger Jannique. Der war mal Studienbewerber bei Thomas, dann Livetechniker und Produzent beim Mitteldeutschen Rundfunk. „Es hat sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt“, erklärt Fellow, der FnF durchaus wie so viele auch als audiophilen Act sieht. „Ich höre selber viel lieber Musik, die gut klingt“, bekennt er sich zu seinen audiophilen Neigungen. „Aber was ich nicht möchte: dass diese formale Sache über die musikalische Substanz geht.“ Klare Sache: „Das Audiophile resultiert aus dem Musikalischen, nicht umgekehrt.“ Deshalb bleibt es auch bei der Duo-Formation: „Hier kommen zwei fragile Elemente zusammen, ohne einander zuzumatschen.“
Das ging mehr als 30 Jahre gut. Nur gut? Nicht immer, es gab 2012 eine selbst verordnete Zwangspause. „Es wurde zu viel“, erinnert sich Constanze an eine schwierige Zeit, in der sie dann auch ihren Vater in Ghana besuchte. Friend ́n Fellow beschlossen: „Wenn wir weitermachen, dann reduziert.“ Und so tritt man seit 2013 live (Thomas: „mehr rot“) und im Studio („mehr blau“) etwas kürzer. Aber dafür, so hoffen beide, noch sehr lange. Das wäre den so außergewöhnlichen Freunden und Gefährten Constanze Friend und Thomas Fellow zu wünschen. Und ihrem Publikum.
Der vorstehende Artikel ist erstmals im Lifestylemagazin „VOLUME“ 2020/21, Edition 05 erschienen (Printmagazin). Zuletzt wurde der Artikel am 04.09.2023 aktualisiert.
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